Sie sind hier:Mehrgenerationenhaus BückeburgAktuelles ab 17.10.19Für alle Eltern von Kindern mit Beeinträchtigungen!

Für alle Eltern von Kindern mit Beeinträchtigungen!

Ein privater Einblick, der zeigt, dass man nicht aufgeben darf.
Schon während der Schulzeit meines Sohnes wurde klar, dass die Inklusion noch nicht so weit ist, wie sie es sein sollte. Bereits an der weiterführenden Schule wird einem klar, in welche Richtung man gedrängt wird. Bereits da fängt der Kampf gegen die Windmühlen an. Im Kindergarten und in der Grundschule ist alles noch recht entspannt und der Weg für die Teilhabe in der Mitte der Gesellschaft scheint „relativ“ unproblematisch zu verlaufen. Eins ist klar – es ist immer davon abhängig auf welche Erzieher, Lehrer und Sachbearbeiter man trifft. Eigentlich sollte durch das BTHG alles geregelt sein und automatisch laufen, ohne dass man irgendwie für Inklusion kämpfen müsste. Leider hängt die Realität an dem persönlichen Engagement einzelner.
An der weiterführenden Schule wurde dann klar, wo der Weg endet, wenn ich selbst keinen neuen Weg schaffe. Also habe ich begonnen ein Projekt zu planen, in dem auch Menschen eine Zukunft in der Gesellschaft haben, die sonst exkludiert werden würden. Das war 2017. Im November 2020 war das Projekt „Inklusiver und integrativer MehrGenerationenPark Seggebruch“ dann endlich fertig gebaut. Größer als geplant, da die Nachfrage – auch nach sozialem Wohnungsbau – so groß war. Nun wohnen hier die verschiedensten Menschen. Alleinerziehende, Familien, Rentner, Menschen mit Behinderungen und Paare/Singles. Es gibt Wohnungen von 35 bis über 120 qm und es gibt 2 WG´s.
In eine der WG´s ist mein Sohn „eingezogen“ (Autist) mit 2 anderen Autisten. Die beiden sind gleich komplett eingezogen. Meiner war zunächst nur stundenweise da, dann tageweise und abends zu Hause, dann hat er mal dort mit Nachtwache geschlafen und dann wollte er eine Zeitlang gar nicht mehr in die WG. Nach dem Wechsel des Betreuungsteams ging es dann aber stätig bergauf. Plötzlich wollte er wieder von sich aus in die WG. Erst bis 18 Uhr, dann bis 22 Uhr und vor einigen Wochen waren wir zum gemeinsamen Kochen und Essen dort und er zog sich plötzlich das Schlafshirt an und wollte dort schlafen. Manni war auch eingeladen und konnte sich vor Lachen nicht mehr halten, als ich meinem Sohn sagte, dass ich nach Hause müsste. Darauf zeigte mein Sohn zur Tür und sage „nach Hause“. Damit meinte er mich. Also habe ich bei meinen Mitarbeitern nachgefragt, ob spontan jemand Zeit hat. Es hat geklappt. Wir hatten alle viel Spaß, weil keiner von uns das glauben konnte. Seit einigen Wochen schläft er nun 5 x pro Woche in der WG.
Mein Sohn (24) hat von sich aus losgelassen. Der Tag, auf den ich sooooo lange gewartet habe, um auch loslassen zu können. Es war mir wichtig, dass er den Zeitpunkt bestimmt, dass es sein Wunsch ist und er fröhlich und glücklich dabei ist.
Was will ich anderen Eltern damit sagen?
Seid geduldig und positiv. Haltet durch und kämpft so lange, bis auch Ihr diesen Tag erreicht habt. Manchmal geht es schnell, manchmal dauert es länger. Bei meinem Sohn hat es von November 2020 bis vor einigen Wochen gedauert. Dafür ist es jetzt um so schöner. Wenn er sich verabschiedet, drückt er mich ganz doll und oft bekomme ich auch noch ein Küsschen mit einem dicken Lächeln im Gesicht. Manchmal ist die WG auch wichtiger, wie gestern. Dann läuft er an der Büroterrasse vorbei, ruft mich kurz und läuft weiter – weg ist er (ohne drücken und Küsschen). So habe ich es mir immer vorgestellt. Ich wollte eine neue große Familie für ihn aufbauen, damit er nicht alleine ist, wenn ich mal ins Gras beiße – was hoffentlich noch lange dauert, weil das jetzt eine schöne Zeit und Erfahrung ist.
Für Eltern mit nicht beeinträchtigten Kindern ist das der Normalzustand. Sie stehen irgendwann vor dir und sagen, dass sie ausziehen möchten. Eine eigene Bude. Bei vielen Jugendlichen mit Behinderung ist es nicht so. Es ist ein Drahtseilakt zwischen Loslassen, Zukunft gestalten, ohne zu drängen, damit es nicht wie ein „Rauswurf“ wirkt und die jungen Erwachsenen verstehen, dass es normal ist irgendwann zu Hause auszuziehen.
Wenn ihr also zwischendurch denkt es klappt nicht, dann macht einfach weiter. Es klappt schon!
Plötzlich ändert sich der Alltag. Man hat morgens Zeit in Ruhe 2 Tassen Kaffee zu trinken. Keiner ruft morgens um 6 Uhr nach „Nudeln“ 😊
Wenn man von der Arbeit nach Hause kommt, will keiner was von einem. Keine Rituale die eigehalten werden müssen und/oder den Tag bestimmen. Es ist ruhig und gewöhnungsbedürftig. Man überlegt, was man denn jetzt so machen könnte. Ist das etwa Freizeit?! Was macht man da nochmal 😊?
Nicht, dass ich mir auf meine alten Tage vor lauter Langeweile noch ein Hobby suchen muss😊
Es ist herrlich und ich bin furchtbar stolz auf meinen „kleinen Hasen“, dass er das so super hinbekommt. Meine Mutter hat immer gesagt, es wäre ihr egal wie alt ich bin, ich bin immer ihr „Kind/die Kleine“. So ist es auch. Mein „kleiner Hase“ ist 24 Jahre und hat die 2 Meter geknackt und bleibt für mich mein „kleine Hase.“
❤Mein größter Dank richtet sich an meine Mitarbeiter der MehrGenerationenPark Seggebruch gGmbH, die mit Ihrer Arbeit im Assistenzbereich und der Nachtwache all das möglich machen – auch für andere junge Menschen, die hier wohnen.
❤Ich bedanke mich bei allen Unterstützern und der Gemeinde Seggebruch, die dieses Projekt erst möglich gemacht haben, bei unserem Schirmherren Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe und seiner Frau.
❤Ich bedanke mich auch bei allen anderen Mitarbeitern, die die letzten schweren Jahre mit mir durchgestanden haben und einfach mitgezogen haben, weil es nötig war. Nun wird es ruhiger.
🥰Wir suchen noch engagierte Heilerziehungspfleger, Heilpädagogen, Erzieher und Ergotherapeuten, die dabei helfen, noch viele weitere Menschen auf ihrem Weg zu unterstützen – und zwar in der Mitte der Gesellschaft –
Meldet euch unter info@mgp-seggebruch.de und helft mit, die Welt ein bisschen inklusiver zu gestalten.
Manuela Tarbiat-Wündsch
Mehrgenertionenhaus Bückeburg e.V